Aktuelles

„Umbau der Tierhaltung in Deutschland“ – Sonder-Agrarministerkonferenz am 5. Mai 2023

Am 5. Mai 2023 fand in Deutschland eine Sonder-Agrarministerkonferenz zum geplanten „Umbau der Tierhaltung“ statt. Zu dieser Konferenz forderten Tierschutzorganisationen, u. a. der Deutsche Tierschutzbund, die Agrarministerinnen und Agrarminister der deutschen Bundesländer dazu auf, auf eine tiergerechte Transformation der deutschen Landwirtschaft hinzuwirken. Insbesondere der Entwurf eines Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes enthalte noch viele Mängel, die zu Lasten der Tiere gingen; so trage das geplante Gesetz, nach dem bislang nur Fleisch von Mastschweinen gekennzeichnet werden muss, die in Deutschland aufgezogen wurden, in der aktuell vorliegenden Entwurfsfassung gerade nicht dazu bei, die Tierhaltung, wie im Koalitionsvertrag versprochen, artgerecht umzubauen.

Auf der Konferenz in Berlin wurde auch über eine Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung in Deutschland gesprochen. Verschiedene Bundesländer äußerten sich im Nachgang zu der Konferenz über die Ergebnisse (so z. B. Bayern: https://www.stmelf.bayern.de/service/presse/pm/2023/fuer-umbau-der-tierhaltung-langfristige/index.html oder Baden-Württemberg: https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/sonder-agrarministerkonferenz-zur-nutztierhaltung-1). Auch immissionsschutzrechtliche Anforderungen an sogenannte Tierwohlställe waren ein Thema, welches bereits seit langem in der Diskussion ist: Denn die bau- und immissionsschutzrechtlichen Anforderungen in Deutschland sind hoch – es gibt aber bereits Untersuchungen, nach denen sogenannte Außenklimaställe gar nicht so emissionsträchtig sind, wie von deutschen Behörden bisher angenommen. Die Untersuchung wurde von der hessischen Landstierschutzbeauftragten in Auftrag gegeben und hier veröffentlicht: https://tierschutz.hessen.de/nutztiere/emissionsmessungen.  

 

Neues EFSA-Gutachten über Enten, Gänse und Wachteln in der Landwirtschaft

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat durch das Panel on Animal Health and Animal Welfare (AHAW) am 16. Mai 2023 ein Gutachten über die Haltung von Enten, Gänsen und Wachteln (Welfare of ducks, geese and quail on farm) vorgestellt, das im März 2023 angenommen wurde. Das auf wissenschaftlicher Basis erarbeitete Gutachten wurden im Auftrag der Europäischen Kommission erstellt. Nicht umfasst von der Begutachtung sind die Vorgänge der Nutzungen der Enten und Gänse zum Zwecke der Federproduktion und der Zwangsfütterung von Gänsen zur Produktion von Foie Gras (Stopfleber).
In dem Gutachten werden die gängigen Haltungssysteme für Enten, Gänse und Wachteln beschrieben und die Folgen der Haltung der Tiere in diesen Systemen für deren Wohlbefinden begutachtet.
Für Enten und Wachteln, die in Käfigen und in Bodenhaltungssystemen ohne Auslauf gehalten werden, werden sehr viele zum Teil einschneidende nachteilige Auswirkungen auf deren Wohlbefinden wie z. B. Bewegungseinschränkungen, Gruppenstress, die Unfähigkeit, Komfortverhalten zu zeigen, Knochenläsionen, Weichteilläsionen und Hautschäden, Bewegungsstörungen, die Unfähigkeit, Erkundungs-, Nahrungssuchverhalten sowie Nestbauverhalten zu zeigen, beschrieben.
Für Enten und Gänse sollten, so die Empfehlungen des Gutachtens, offene Wasserquellen vorhanden sein, die zumindest das Eintauchen des Kopfes und idealerweise sogar vollständiges Baden, Schwimmen und Tauchen ermöglichen. Darüber hinaus sollte Trinkwasser über separate Tränken verfügbar sein. Bei Wachteln sollte in bestimmten Bereichen feines Material (z. B. Sand) bereitgestellt werden, um das Staubbadeverhalten zu ermöglichen, sowie Strukturen, die das Ausruhen unter Deckung ermöglichen. Für alle begutachteten Vogelarten sollten zusätzliche futterbezogene Anreicherungen wie Silage (Wasservögel) oder Hackblöcke (Wachteln) angeboten werden. Für Flugenten werden leicht erreichbare erhöhte Strukturen wie Sitzstangen empfohlen.
Es wird ausdrücklich empfohlen, weitere Untersuchungen zu den Folgen der Zwangsfütterung bei der Produktion von „Foie Gras“, bei der Gänsen mittels Magensonde und Gewalt Futter eingegeben wird, für das Wohlergehen der Tiere durchzuführen. Die Praktik der Zwangsfütterung wurde jüngst in einer juristischen Publikation für nach deutscher Rechtslage als verboten und sogar strafbar eingeordnet. Die Publikation von Gerhold/Poplat in der Zeitschrift „Natur und Recht“ ist unter https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-023-4150-9 kostenlos herunterladbar.
Das Gutachten des AHAW-Panels der EFSA ist unter Beteiligung des Vorstandsmitglieds der IGN, Prof. Dr. Christoph Winckler (Universität für Bodenkultur, Institut für Nutztierwissenschaften, Wien) und des IGN-Mitglieds Prof. Dr. Ute Knierim, Fachgebietsleiterin Nutztierethologie und Tierhaltung, Universität Kassel, erstellt worden.
Es ist veröffentlicht im EFSA Journal 2023;21(5):7792 und abrufbar unter: https://www.efsa.europa.eu/de/news/efsa-better-housing-needed-dairy-cows-ducks-geese-and-quail-improve-welfare

Die Gutachten und unabhängigen Empfehlungen der EFSA dienen als wissenschaftliche Grundlage für die gerade in Überarbeitung befindliche europäische Tierschutzgesetzgebung.

 

Neues EFSA-Gutachten über die Haltung von Milchkühen in der Landwirtschaft

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat durch das Panel on Animal Health and Animal Welfare (AHAW) am 16. Mai 2023 ein Gutachten über die Haltung von Milchkühen (Welfare of dairy cows) vorgestellt, das im März 2023 angenommen wurde. Dieses auf wissenschaftlicher Basis erarbeitete Gutachten wurde im Auftrag der Europäischen Kommission erstellt.
In dem Gutachten werden Anbindeställe, Liegeboxenhaltung (Freilaufstall), Freilaufsysteme (Einstreusysteme mit Strohplätzen, Kompost oder Trockenmist) und Haltungssysteme mit Zugang zu Außenbereichen, z.B. einer Weide, bewertet. Für jedes System wurde die Verbreitung in der EU sowie ein Überblick über die wesentlichen Vorteile, aber auch die Nachteile für das Wohlergehen der Tiere dargestellt.
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Betriebe, die den Tieren Zugang zu Weideland bieten, in den letzten Jahrzehnten in mehreren EU-Mitgliedstaaten zurückgegangen ist; immer mehr Betriebe stellen auf ganzjährige Stallhaltung um.
Im Hinblick auf die Anbindehaltung gibt es ausweislich des Gutachtens stichhaltige Beweise dafür, dass das Wohlergehen von Kühen, die dauerhaft in Ställen angebunden sind, aufgrund von Verhaltenseinschränkungen im Vergleich zu Freilaufsystemen (bei denen die Kühe nicht angebunden sind) beeinträchtigt ist.

Zur rechtlichen Bewertung der Anbindehaltung von Milchkühen nach deutscher Rechtslage liegt eine Publikation von Hahn/Kari vor, die im Jahr 2022 den IGN-Forschungspreis erhalten hat und im Open Access kostenlos hier herunterladbar ist: https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-021-3890-7.

Das Gutachten des AHAW-Panels der EFSA über die Haltung von Milchkühen ist unter Beteiligung des Vorstandsmitglieds der IGN, Prof. Dr. Christoph Winckler (Universität für Bodenkultur, Institut für Nutztierwissenschaften, Wien) erstellt worden. Es ist veröffentlicht im EFSA Journal 2023;21(5):7793 und abrufbar unter: https://www.efsa.europa.eu/de/news/efsa-better-housing-needed-dairy-cows-ducks-geese-and-quail-improve-welfare

Die Gutachten und unabhängigen Empfehlungen der EFSA dienen als wissenschaftliche Grundlage für die gerade in Überarbeitung befindliche europäische Tierschutzgesetzgebung.

 

Ariane Désirée Kari wird erste Bundestierschutzbeauftragte in Deutschland

Das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat die Berufung von Ariane Kari als Bundestierschutzbeauftragte am 10. Mai 2023 mit einer Pressemitteilung bekannt gegeben. Die Etablierung und Besetzung dieses Amtes wurde seit vielen Jahren von Tierschutzorganisationen gefordert und wird ab Mitte Juni 2023 verwirklicht.

Der Bundesminister Cem Özdemir sagt dazu: „Ich freue mich, dass es gelungen ist, mit Ariane Kari eine ausgewiesene Expertin mit langjähriger tierschutzfachlicher Erfahrung zu gewinnen. Ich bin überzeugt, dass sie mit ihrer Arbeit wichtige Impulse setzen und den gesamtgesellschaftlichen Diskurs und Dialog im Bereich des Tierschutzes mit fachlicher Expertise begleiten und fördern wird. […]“

Ariane Kari selbst sieht ihre zukünftige Arbeit als „große Chance, den Tierschutz voranzubringen. Ich freue mich sehr darauf, Tieren auf Bundesebene eine Stimme zu geben und sie zum Beispiel in Gesetzgebungsverfahren zu vertreten. Außerdem werde ich immer wieder den Fokus auf Missstände im Umgang mit Tieren richten, damit diese von den zuständigen Stellen behoben werden. […]“

Wir gratulieren herzlich zu dem neuen, sehr verantwortungsvollen Amt. Ariane Kari hatte im Jahr 2022 zusammen mit Johanna Hahn den IGN-Forschungspreis für tiergerechte Nutztierhaltung verliehen bekommen (http://www.ign-nutztierhaltung.ch/de/seite/forschungspreis-ign).

 

Neue EFSA-Empfehlungen für Legehennen und Junghennen in der Landwirtschaft

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat durch das Panel on Animal Health and Animal Welfare (AHAW) am 28. März 2023 Empfehlungen für die Haltung von Legehennen und Junghennen (Welfare of laying hens on farm) vorgestellt, die im Dezember 2022 angenommen wurden. Diese auf wissenschaftlicher Basis erarbeiteten Empfehlungen zeigen deutlich die Defizite auf, die u. a. die deutsche Tierschutzgesetzgebung enthält. So fordert das AHAW-Panel in seinen Empfehlungen das, was viele nationale Tierschutzgesetze der Mitgliedstaaten wie z. B. die deutsche Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung bislang noch nicht gewähren: Außenklimabereiche, Auslauf und ein Enrichment der Haltungseinrichtung, mit welchem die Tiere ihr natürliches Verhalten ausleben können: Picksteine, erhöhte Ebenen, Rampen und Sitzstangen sowie eine ständig trockene Einstreu. Die Empfehlungen des AHAW-Panels der EFSA sind unter Beteiligung des Vorstandsmitglieds der IGN, Prof. Dr. Christoph Winckler (Universität für Bodenkultur, Institut für Nutztierwissenschaften, Wien) erstellt worden.

Die Empfehlungen der EFSA für die Haltung von Legehennen und Junghennen sind veröffentlicht im EFSA Journal 2023;21(2):7789 und abrufbar unter: https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/7789

Die unabhängigen Empfehlungen der EFSA könnten Grundlage der gerade in Überarbeitung befindlichen europäischen Tierschutzgesetzgebung werden.

 

Neue EFSA-Empfehlungen für die Haltung von Kälbern

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat durch das Panel on Animal Health and Animal Welfare (AHAW) Empfehlungen für die Haltung von Kälbern (Welfare of calves) vorgestellt, die am 22. Februar 2023 angenommen wurden. Diese auf wissenschaftlicher Basis erarbeiteten Empfehlungen sind aufgrund einer Anfrage der Kommission im Rahmen der „Farm-to-Fork-Strategie“ entstanden. Für die Empfehlungen wurden u. a. elf Systeme zur Aufzucht von Kälbern bewertet und im Hinblick auf das Wohlbefinden der Kälber kategorisiert. Auswirkungen auf das Wohlergehen der Kälber sowie Maßnahmen zur Vermeidung oder Minderung der daraus resultierenden Gefahren für die Tiere werden in den Empfehlungen beschrieben. Zu den Empfehlungen zur Verbesserung des Wohlbefindens von Kälbern gehören u. a. die Erhöhung des Platzangebots, die Haltung von Kälbern in stabilen Gruppen, die Sicherstellung eines guten Kolostrummanagements und die Erhöhung der Milchmengen, die an Kälber verfüttert werden. Außerdem sollten Kälber auf verformbaren Liegeflächen gehalten werden. Eine weitere Empfehlung ist, dass Kälber innerhalb der ersten Lebenswoche in kleinen Gruppen (2–7 Tiere) gehalten werden. Zu den Empfehlungen zum Kontakt zwischen Mutterkuh und Kalb gehört, das Kalb mindestens einen Tag nach der Geburt beim Muttertier zu halten. Ein längerer Kontakt sollte nach und nach eingeführt werden.

Die Empfehlungen des AHAW-Panels der EFSA sind unter Beteiligung des Vorstandsmitglieds der IGN, Prof. Dr. Christoph Winckler (Universität für Bodenkultur, Institut für Nutztierwissenschaften, Wien) erstellt worden.

Die Empfehlungen der EFSA für die Haltung von Kälbern sind veröffentlicht im EFSA Journal 2023;21(3):7896 und abrufbar unter: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2023.7896

Die unabhängigen Empfehlungen der EFSA könnten Grundlage der gerade in Überarbeitung befindlichen europäischen Tierschutzgesetzgebung werden.

 

Gutachten "Reform des Tierschutzrechts"

Am 1. Februar 2022 ist ein Gutachten, welches vom ehemaligen IGN-Vorstandsmitglied Dr. Christoph Maisack, dem neuen IGN-Vorstandsmitglied Dr. Barbara Felde und Linda Gregori für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen verfasst wurde, im NOMOS-Verlag unter dem Titel „Reform des Tierschutzrechts“ erschienen. Der Band der Reihe „Das Recht der Tiere und der Landwirtschaft“ enthält ebenfalls ein Gutachten von Prof. Jens Bülte und Anna-Lena Dihlmann, die damit eine Reform des Tierschutzstrafrechts vorgeschlagen haben. Dieses Gutachten wurde bereits letztes Jahr als Gesetzentwurf (Drs. 19/27752) in den Deutschen Bundestag eingebracht. Das Gutachten von Felde/Gregori/Maisack enthält einen ausformulierten Vorschlag für ein neues Tierschutzgesetz (mit Ausnahme der Strafnorm, die in dem Bülte/Dihlmann-Gutachten behandelt wird) und greift viele der bestehenden Probleme aus dem Tierschutzrecht auf. Neben einem Verbot der Beförderung lebender Tiere in bestimmte Drittstaaten, in denen u. a. tierquälerisch geschächtet wird, enthält der Gesetzesvorschlag tierschutzgerechte Vorgaben für die Tierhaltung, aber auch einen Vorschlag für die Normierung einer verpflichtenden Videoüberwachung in Schlachthöfen, eines umfassenden Schächt-Verbots sowie eine ausführliche Reform des Tierversuchsrechts, wie es der EU-Tierversuchsrichtlinie entsprechen würde.

Während die Printversion 199 Euro kostet, ist der Band auch über eine kostenlose Open-Access-Version in der eLibrary des NOMOS-Verlags unter folgendem Link herunterladbar: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783748928478-1/titelei-inhaltsverzeichnis

 

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